Beweissicherung ohne WEG-Beschluß

Wenn im Gemein­schafts­ei­gen­tum einer Woh­nungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft (WEG) Män­gel auf­tre­ten, kann eine gericht­li­che Beweis­si­che­rung ohne WEG-Beschluß von­nö­ten wer­den. Für eine Beschluß­fas­sung dazu im Rah­men einer WEG-Ver­samm­lung bleibt manch­mal kei­ne Zeit. Ange­fan­gen bei der Fra­ge, ob es sich über­haupt um einen Man­gel han­delt oder ob und wann Hand­lungs­be­darf zur Behe­bung besteht, kann die Inter­es­sen­la­ge der Mit­ei­gen­tü­mer aus­ein­an­der gehen. Nicht zuletzt dro­hen­de Kos­ten kön­nen Wider­stän­de der Mit­ei­gen­tü­mer wecken.

Bei Män­geln am Dach ist womög­lich nur ein ein­zi­ger Mit­ei­gen­tü­mer betrof­fen, der den mehr­heit­lich hand­lungs­un­wil­li­gen übri­gen Mit­ei­gen­tü­mern allein gegen­über­steht. Der­weil droht even­tu­ell Ver­jäh­rung von Gewähr­leis­tungs­an­sprü­chen gegen­über der Dach­de­cker­fir­ma. Der betrof­fe­ne Mit­ei­gen­tü­mer kann daher ein Inter­es­se dar­an haben, daß im Rah­men eines gericht­li­chen Beweis­si­che­rungs­ver­fah­rens geprüft wird,

  • ob und in wel­chem Umfang ein Man­gel vor­liegt und
  • wie die­ser beho­ben wer­den kann.

Der BGH hat mit Beschluß vom 14.3.2018 — V ZB 131/17 ent­schie­den, daß der betrof­fe­ne Mit­ei­gen­tü­mer nicht gehal­ten ist, vor einem sol­chen Beweis­si­che­rungs­ver­fah­ren im Rah­men einer Eigen­tü­mer­ver­samm­lung dar­über beschlie­ßen zu las­sen, daß sei­tens der WEG ein Pri­vaat­gut­ach­ter beauf­tragt wird.

Vor­aus­set­zung zur Durch­füh­rung eines gericht­li­chen Beweis­si­che­rungs­ver­fah­rens ist gem. § 485 Abs. 2 ZPO ein recht­li­ches Inter­es­se an der Fest­stel­lung des Zustands des Gemein­schafts­ei­gen­tums. Zwar sol­len die Woh­nungs­ei­gen­tü­mer gem. § 21 WEG gemein­schaft­li­ches Eigen­tum grund­sätz­lich auch gemein­sam ver­wal­ten. Ein ein­zel­ner Mit­ei­gen­tü­mer hat den­noch auch ohne Behand­lung des Fal­les in einer WEG-Ver­samm­lung ein aus­rei­chen­des recht­li­ches Interesse:

1. Vorbefassungsgebot erfüllt

Das Vor­be­fas­sungs­ge­bot, wonach zunächst die WEG-Ver­samm­lung der­ar­ti­ge Fra­ge klä­ren muß, gilt aus­nahms­wei­se dann nicht, wenn mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit davon aus­ge­gan­gen wer­den kann, dass der Antrag des ein­zel­nen betrof­fe­nen Mit­ei­gen­tü­mers auf Zuzie­hung eines Sach­ver­stän­di­gen in der Eigen­tü­mer­ver­samm­lung nicht die erfor­der­li­che Mehr­heit fin­den wird, so dass die Befas­sung der Ver­samm­lung eine unnö­ti­ge För­me­lei wäre.

2. Aufklärung

Das selb­stän­di­ge Beweis­ver­fah­ren hat die Auf­klä­rung von Tat­sa­chen zum Gegen­stand. Mit sei­ner Durch­füh­rung wird die Beweis­erhe­bung in einem even­tu­ell spä­ter erfor­der­lich wer­den­den Pro­zess vor­weg­ge­nom­men. Es beschränkt sich auch nicht auf die Vor­be­rei­tung einer Instand­hal­tungs-oder Instand­set­zungs­maß­nah­me oder nimmt die Ent­schei­dung der Gemein­schaft der Woh­nungs­ei­gen­tü­mer über das „ob“ und das „wie“ der Durch­füh­rung der Maß­nah­me vorweg.

3. Beweiswert erhöht

Das von einer WEG in Auf­trag gege­be­ne Pri­vat­gut­ach­ten könn­te in einem spä­te­ren Ver­fah­ren nur im Rah­men des Par­tei­vor­trags der WEG gewer­tet wer­den. Ein gericht­li­ches Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten wür­de es nicht ersetzen.

4. Verwaltung weiterhin bei WEG

Nach Vor­lie­gen der Beweis­si­che­rungs­er­geb­nis­se steht es der WEG wei­ter­hin frei, dar­über zu ent­schei­den, ob und wie das Gemein­schafts­ei­gen­tum saniert wer­den soll. Die gemein­sa­me Ver­wal­tung durch die Mit­ei­gen­tü­mer ist also nach wie vor möglich.

5. Kostenlast nicht bei WEG

Die WEG ist auch nicht durch Ver­fah­rens­kos­ten belas­tet. Die­se müß­te der betrof­fe­ne Mit­ei­gen­tü­mer, der das Beweis­si­che­rungs­ver­fah­ren bean­tragt, zunächst selbst tra­gen. Im Rah­men die­ses Ver­fah­rens ergeht noch kei­ne Ent­schei­dung über die damit ver­bun­de­nen Kos­ten. Stellt sich bei der Beweis­si­che­rung her­aus, daß ein Anspruch der WEG z.B. gegen einen Hand­wer­ker wegen eines Scha­dens am Gemein­schafts­ei­gen­tum besteht und behebt der Hand­wer­ker den Scha­den sodann frei­wil­lig, kann der betrof­fe­ne Mit­ei­gen­tü­mer gericht­lich fest­stel­len las­sen, daß der Hand­wer­ker ihm auch die Kos­ten des Beweis­si­che­rungs­ver­fah­rens zu erset­zen hat (Urteil des BGH vom 10.10.2017 — VI ZR 520/16).

Die Beweis­si­che­rung ohne WEG-Beschluß ist dem­nach jeder­zeit auf Antrag eines ein­zel­nen Woh­nungs­ei­gen­tü­mers mög­lich, soweit er ein recht­li­ches Inter­es­se dar­an dar­tun kann. Er ist nicht gehal­ten, sein Anlie­gen zunächst im Rah­men einer Woh­nungs­ei­gen­tü­mer­ver­samm­lung vorzubringen.