Die Schriftform im Gewerberaummietvertrag

Die Schrift­form im Gewer­be­raum­miet­ver­trag soll­ten die Miet­ver­trags­par­tei­en genau beach­ten. Wer deren Anfor­de­run­gen auf die leich­te Schul­ter nimmt, ist am Ende womög­lich in einer für ihn sehr unvor­teil­haf­ten Wei­se ver­trag­lich gebunden.

1. Feste Laufzeit

Ein Miet­ver­trag läuft auf unbe­stimm­te Zeit, wenn er nicht gem. §§ 550, 126 BGB schrift­lich abge­schlos­sen ist.  Abwei­chen­de münd­li­che Ver­ein­ba­run­gen sind dann unwirk­sam und der Ver­trag kann jeder­zeit gekün­digt wer­den. Gewer­be­miet­ver­trä­ge wer­den übli­cher­wei­se über fes­te Lauf­zei­ten abge­schlos­sen. Oft wird dem Mie­ter auch ein ein­sei­ti­ges Opti­ons­recht zur Ver­län­ge­rung des Miet­ver­tra­ges ein­ge­räumt. Dadurch gewinnt der Mie­ter Pla­nungs­si­cher­heit und kann sei­ne Inves­ti­tio­nen in den Geschäfts­be­trieb ent­spre­chend lang­fris­tig anle­gen. Auch dem Ver­mie­ter kann an einer lang­fris­ti­gen Ver­trags­bin­dung gele­gen sein.

2. Kündigungsinteresse

Auf bei­den Sei­ten kann aber wäh­rend des Miet­ver­hält­nis­ses ein Inter­es­se dar­an ent­ste­hen, sich vor­zei­tig wie­der von dem Miet­ver­trag zu lösen. Mög­li­cher­wei­se erweist sich das Geschäfts­mo­dell des Mie­ters als unren­tier­lich oder der Ver­mie­ter sieht einen Weg, sein Objekt ander­wei­tig bes­ser zu ver­mie­ten. An die­sem Punkt lohnt sich eine Prü­fung des Miet­ver­tra­ges dahin, ob die Schrift­form ein­ge­hal­ten wur­de. Ist das nicht der Fall, hat das schar­fe Konsequenzen:

  • Der Ver­trag ist ohne Rück­sicht auf die ver­ein­bar­ten Lauf­zei­ten gem. § 550 S. 2 BGB zum Ablauf des ers­ten Jah­res nach Über­ga­be des Objekts kündbar.
  • Opti­ons­rech­te des Mie­ters ent­fal­len ersatzlos.
  • Eine Index­klau­sel zur Miet­erhö­hung wird unwirk­sam (s.a. Urteil des BGH vom 11.4.2018 — XII ZR 43/17). Vor­aus­set­zung für die Wirk­sam­keit ist näm­lich, daß der Miet­ver­trag gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 d) PrkG auf min­des­tens 10 Jah­re Lauf­zeit abge­schlos­sen ist. Dies muß der Mie­ter gem. § 8 PrkG zwar gericht­lich fest­stel­len las­sen. Das stellt aber ange­sichts der sich dar­aus für ihn erge­ben­den Vor­tei­le kein gro­ßes Hin­der­nis dar.

3. Die Schriftform im Gewerbemietvertrag

Schrift­form­män­gel kön­nen sich an vie­len Stel­len im Gewer­be­miet­ver­trag zeigen:

a) Mietobjekt

Unklar­hei­ten bei der Bezeich­nung und Beschrei­bung des Miet­ob­jekts kön­nen dazu füh­ren, daß die Schrift­form nicht erfüllt ist. Die Recht­spre­chung dazu, wie groß die­se Unklar­hei­ten sein kön­nen, ohne daß das der Fall ist, rich­tet sich danach, ob ein “wesent­li­cher” Punkt betrof­fen ist. Ange­sichts des­sen sind die Par­tei­en gut bera­ten, der­ar­ti­ge Unklar­hei­ten von vorn­her­ein zu vermeiden.

Der BGH hat mit Urteil vom 23.1.2013 — XII ZR 35/11 die Schrift­form bei einem Gewer­be­miet­ver­trag als erfüllt ange­se­hen, mit dem eine bestimm­te Anzahl an Park­plät­zen zum Miet­ob­jekt ver­mie­tet wor­den war, ohne deren Lage auf dem Anwe­sen genau zu anzu­ge­ben. Inso­fern gestand der BGH dem Ver­mie­ter die Frei­heit zu, die Park­plät­ze spä­ter zu bezeichnen.

Der BGH hat mit Urteil vom 12.3.2008 — VIII ZR 71/07 befun­den, daß auch die nähe­re Bezeich­nung mit­ver­mie­te­ter Kel­ler­räu­me nicht erfor­der­lich sei, um der Schrift­form Genü­ge zu tun. Ein Kel­ler­raum sei als blo­ßes Zube­hör kein wesent­li­cher Bestand­teil des Mietvertrags.

Das OLG Frank­furt sah hin­ge­gen mit Urteil vom 27.4.2016 — 2 U 9/16 einen Ver­stoß gegen die Schrift­form im Miet­ver­trag über Pra­xis­räu­me mit einem Kel­ler, der zur Auf­be­wah­rung von Pati­en­ten­ak­ten die­nen soll­te und damit wesent­lich für den gesam­ten Miet­ver­trag war.

b) Parteien des Mietvertrages

Bei der Bezeich­nung der Par­tei­en ist genau dar­auf zu ach­ten,  wer die­se sind, wel­che Rechts­form eine Fir­ma hat und ob der Unter­zeich­ner ver­tre­tungs­be­rech­tigt ist. Als ver­tre­tungs­be­rech­tigt gilt z.B. nach dem Urteil des BGH vom 23.1.2013 — XII ZR 35/11 ein Gesell­schaf­ter, der einen Ver­trag unter Ver­wen­dung des Fir­men­stem­pels unterzeichnet.

Unter­zeich­net einer von meh­re­ren Gesell­schaf­tern für eine GbR, soll­te ent­we­der im Rubrum oder aber in der Unter­schrif­ten­zei­le dar­ge­stellt sein, wie sich die­se Gesell­schaf­ter gegen­sei­tig ver­tre­ten und wer von die­sen für die übri­gen unter­zeich­net hat. Ande­ren­falls ist nach dem Urteil des BGH vom 6.11.2020 — LwZR 5/19 die Schrift­form nicht gewahrt.

Der BGH hat­te mit Urteil vom 11.9.2002 — XII ZR 187/00 zu einem Gewer­be­miet­ver­trag zu ent­schei­den, den auf Ver­mie­ter­sei­te die Erben des kurz zuvor ver­stor­be­nen Eigen­tü­mers schlie­ßen woll­ten. Erben waren die Töch­ter des Eigen­tü­mers. Eine von ihnen unter­zeich­ne­te den Ver­trag als “Ver­tre­ter der Erben­ge­mein­schaft”. Eine Erben­ge­mein­schaft ist aber nicht rechts­fä­hig und kann daher auch kei­ne Ver­trä­ge schlie­ßen. Der Miet­ver­trag kam daher tat­säch­lich mit den Erbin­nen direkt zustan­de. Nach­dem aber der Ver­trag nicht auch von der zwei­ten Erbin unter­schrie­ben wor­den war, war die Schrift­form nicht ein­ge­hal­ten. Die Erben konn­ten den Ver­trag daher spä­ter ohne Rück­sicht auf die ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Lauf­zei­ten kündigen.

c)  Miethöhe

Dif­fe­ren­ziert ist auch die Recht­spre­chung dazu, wel­che Ver­ein­ba­run­gen über die Miet­hö­he so wesent­lich sind, daß die Schrift­form davon berührt wird.

Das Ber­li­ner Kam­mer­ge­richt hat mit Urteil vom 28.2.2005 — 12 U 74/03  befun­den, daß in einem schrift­li­chen Miet­ver­trag mit fes­ter Lauf­zeit von 10 Jah­ren eine Ver­ein­ba­rung dahin, daß nach Ablauf eines Jah­res über die ange­mes­se­ne Anhe­bung des Miet­zin­ses jeweils Ein­ver­neh­men zu erzie­len ist, die Schrift­form gewahrt ist. Dabei berück­sich­tig­te es, daß die Mie­te auf die­se Wei­se nie über 5 % erhöht wor­den war. Der­ar­ti­ge Erhö­hun­gen sah es als unwe­sent­lich und damit nicht schrift­form­be­dürf­tig an.

Der BGH ent­schied hin­ge­gen mit Urteil vom 25.11.2015 — XII ZR 114/14 und Urteil vom 11.4.2018 — XII ZR 43/17, daß die Ände­rung der Miet­hö­he stets eine wesent­li­che Ver­trags­än­de­rung dar­stel­le, wenn sie für mehr als ein Jahr erfolgt und nicht jeder­zeit vom Ver­mie­ter wider­ru­fen wer­den kann. Der­art wesent­li­che Punk­te unter­fal­len danach der Schriftform.

d) Optionsrecht

Die Miet­dau­er ist eben­falls ein wesent­li­cher Punkt des Gewer­be­miet­ver­trags. Übli­cher­wei­se wer­den län­ge­re Fest­lauf­zei­ten ver­ein­bart. Oft wird dem Mie­ter dar­über hin­aus das Recht zuge­stan­den, die Miet­dau­er durch ein­sei­ti­ge Erklä­rung (Opti­on) auf einen wei­te­ren vor­her fest­ge­leg­ten Zeit­raum zu ver­län­gern. Der BGH hat mit Urteil vom 21.11.2018 — XII ZR 78/17 ent­schie­den, daß die Aus­übung eines sol­chen Opti­ons­rechts nicht der Schrift­form unter­liegt. Grund dafür ist, daß es sich dabei weder um den Ver­trags­ab­schluß selbst noch um eine Ände­rungs­ver­ein­ba­rung han­delt. Der Mie­ter nimmt ledig­lich ein Recht war, was ihm bereits aus dem Miet­ver­trag zusteht. Ein Opti­ons­recht kann dem­nach auch per Fax oder email aus­ge­übt werden.

e) Nachträge zum Mietvertrag

Was für den Miet­ver­trag selbst gilt, gilt genau­so für Nach­trä­ge dazu. Wenn die Miet­ver­trags­par­tei­en spä­ter Ände­run­gen ver­ein­ba­ren wol­len, müs­sen sie die Schrift­form eben­falls beach­ten und aus­drück­lich auf den Haupt­miet­ver­trag Bezug neh­men. Sonst besteht wie­der­um das Risi­ko, daß der gesam­te Miet­ver­trag sich in einen unbe­fris­te­ten und jeder­zeit künd­ba­ren Ver­trag wandelt.

f) Einseitige Unterzeichnung

Der BGH hat mit Urteil vom 7.3.2018 — XII ZR 129/16 befun­den, daß die Schrift­form gem. § 126 Abs. 2 S. 2 BGB ein­ge­hal­ten ist, wenn über einen Ver­trag zwei gleich­lau­ten­de Urkun­den auf­ge­nom­men wer­den und  jede Par­tei die für die ande­re Par­tei “bestimm­te” Urkun­de unter­zeich­net. Es ist also nicht erfor­der­lich, daß

  • sich die Unter­schrif­ten bei­der Par­tei­en auf zumin­dest einer Urkun­de befin­den oder
  • die Urkun­den dem jeweils ande­ren Ver­trags­part­ner zugehen.

Damit ist der Ver­trags­ab­schluß auch per Tele­fax mög­lich, wenn jede Par­tei den von ihr unter­schrie­be­nen Ver­trag an die ande­re Par­tei faxt, das Ori­gi­nal aber bei sich behält.

4. Schutzzweck

Grund für die gro­ße Bedeu­tung der Schrift­form ist,

a) Erwerberschutz

Nach dem Grund­satz des § 566 BGB “Kauf bricht nicht Mie­te” über­nimmt der Käu­fer einer Immo­bi­lie auch die dazu lau­fen­den Miet­ver­trä­ge. Nur wenn ihm alle Miet­ver­trä­ge mit Zusät­zen und Nach­trä­gen schrift­lich vor­ge­legt wer­den, kann er sich ver­trags­ge­treu ver­hal­ten (Urteil des BGH vom 27.9.2017 — XII ZR 114/16).

b) Beweisbarkeit

Gera­de bei lang­jäh­ri­gen Miet­ver­trä­gen und mehr­fa­chem Eigen­tü­mer­wech­sel ist der jeweils aktu­el­le Ver­mie­ter maß­geb­lich dar­auf ange­wie­sen, daß sämt­li­che Abre­den der vor­her­ge­hen­den Ver­mie­ter mit dem Mie­ter ihm in einer Form zur Ver­fü­gung ste­hen, die es ihm ermög­li­chen, deren Inhalt auch zu beweisen.